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Bahn-Neubaustrecke: Es ist noch lange nichts entschieden

| Bauen & Wirtschaft

Bad Soden-Salmünster: Wie eine letzte Warnung vor einer drohenden Klage gegen die von der Deutschen Bahn favorisierte Variante IV zur ICE-Neubaustrecke Hanau–Würzburg/Fulda mutet die Veranstaltung in der Stadthalle Schlüchtern an.

Vier Bürgermeister haben dort am 27.06. durchaus kämpferisch klargemacht: Es ist noch lange nichts entschieden.

 

Darstellungen auf Internetseiten der DB Netz AG, Mitteilungen oder auch Argumentationsketten des Schienenkonzerns lassen sich so lesen, als wäre die einzig geeignete Trassenvariante für den geplanten Ausbau der Kinzigtalbahn zwischen Hanau und Fulda jene mit der Nummer IV. Dass dies aber „nicht in Stein gemeißelt“ sei und sie eine Vorentscheidung ohne angemessene Berücksichtigung kommunaler Interessen nicht hinnehmen werden, haben die Rathauschefs der Städte Schlüchtern (Matthias Möller), Bad Soden-Salmünster (Dominik Brasch), Steinau (Christian Zimmermann) und Kalbach (Mark Bagus) in Schlüchtern überaus deutlich gemacht. In einer per Livestream übertragenen Pressekonferenz kritisierten die Bürgermeister vor allem intransparentes Vorgehen angesichts einer unterschiedlichen Behandlung der in engerer Wahl stehenden Varianten.

 

So seien Nummer V und VII ebenso wie kombinierte Varianten nicht gleichartig geprüft, sondern Variante IV einseitig beleuchtet worden. Um diesen Eindruck zu belegen, holten die vier Kommunalverwaltungen bereits im Rahmen des Raumordnungsverfahrens fachkundigen Rat ein. So konstatierte gestern der Geograph Wulf Hahn von der Fachagentur RegioConsult Verkehrs - und Umweltmanagement(Marburg), dass ein Vergleich zwischen den Varianten V-VII und VII sowie zwischen V-IV und IV nicht stattgefunden habe. Als ausschlaggebend werde bei Variante V die starke Betroffenheit durch Lärm und eine starke Einengung der Fliede bei Neuhof sowie Konflikte im Überschwemmungsgebiet genannt; eine Vorprüfung für die Ziegeler Aue wurde aber „nicht vorgelegt“.

 

Die Folgerung laute, so Wulf Hahn, dass die Kombi-Variante VII-V trotz der raumordnerisch sogar besser bewerteten Bündelung mit der vorhandenen Strecke keine Verbesserung gegenüber Nummer VII bringe  und deshalb beide Varianten ad acta gelegt wurden. Diese Schlussfolgerung „ist nicht nachvollziehbar“, weil etwa die Lärmbelastung durch Schallschutzbauten reduziert werden könne. Die DB Netz AG habe dann Variante IV weiter optimiert, die anderen Varianten aber auf dem Stand von 2018 belassen. Daher sei die landesplanerische Beurteilung „hochdefizitär“.

 

Unter anderem belaufen sich die Baueinrichtungsflächen bei Variante IV auf 171 Hektar in allen vier Kommunen, bei Variante VII auf knapp 130 Hektar. Schon bei dieser wären Bad Soden-Salmünsterund Schlüchtern mit 35 und 34 Hektar am stärksten betroffen.


Die juristische Seite erläuterte Rechtsanwalt Andreas Ruckelshausen und stellte unter anderem heraus, dass die landesplanerische Beurteilung lediglich eine gutachterliche Äußerung „ohne Genehmigungswirkung“ sei.

 

Die Bürermeister sehen durch die Variante IV die Innenstadtentwicklung aller vier Städte und Gemeinden auf Jahre hinaus blockiert und Gestaltungsmöglichkeiten – etwa künftige Neubaugebiete – gravierend eingeschränkt. Am Ende eines solchen Auswahlverfahrens gebe es „natürlich immer Gewinner und Verlierer“, doch das Verfahren müsse transparent sein und sich an objektiv nachvollziehbaren Kriterien orientieren.


Dominik Brasch bemängelt, dass die Regierungspräsidien in Kassel und Darmstadt den Vorschlägen der Bahn nahezu ohne Einwände gefolgt seien, „unsere Bedenken, Einwände und Vorschläge, insbesondere zu den geplanten Siedlungserweiterungen sinds aber kaum berücksichtigt wurden. Damit können wir nicht zufrieden sein“.

 

HINTERGRUND:

Die seit dem Frühjahr vorliegende landesplanerische Beurteilung ist das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens. In diesem wird ein konkretes Vorhaben – wie die Neubaustrecke Hanau–Würzburg/Fulda – von den betroffenen Regierungspräsidien – in diesem Fall Darmstadt und Kassel – auf wirtschaftliche, ökologische, kulturelle und soziale Aspekte überprüft. Das Raumordnungsverfahren macht Vorgaben zur Berücksichtigung der Regionalplanungsziele für das spätere Planfeststellungsverfahren, welches gewissermaßen mit einem kommunalen Bauantrag vergleichbar ist, in dem sich konkrete Planzeichnungen und ergänzende Ausarbeitungen finden müssen.


In der landesplanerischen Beurteilung ist beschrieben, ob das geprüfte Vorhaben mit den beiden betroffenen Regionalplänen (für Nordhessen und für Südhessen) vereinbar ist oder nicht. Im Fall der Neubaustrecke Hanau–Würzburg/Fulda lautet das umstrittene Ergebnis, einzig die Trassenvariante IV geeignet sei. Das Eisenbahnbundesamt als Planfeststellungsbehörde prüft daraufhin, ob die Begründungen in der landesplanerischen Beurteilung zutreffend und ausreichend sind. Hierbei ist es einzelnen Bürgern wie auch Städten und Gemeinden erneut möglich, Bedenken öffentlich vorzutragen. Der sich daraus ergebenden Anhörungsbericht wird der Planfeststellungsbehörde zur Bewertung im Zuge des Genehmigungsverfahrens vorgelegt.

 

Am Ende dieses Verfahren steht dann der Planfeststellungsbeschluss. Erst gegen diesen kann bei Bedarf geklagt werden, nicht gegen vorangehende Verfahrensschritte. Genau diesen juristischen Schritt behalten sich die drei Städte im Bergwinkel und die Gemeinde Kalbach vor.

 

Quellen:

Originaltext: Kinzigtal Nachrichten vom 28.09.2023

Bild: www.neudorf-mkk.de